Neulich habe ich Heimat 3 beziehungsweise das >>>Günderodehaus beziehungsweise Oberwesel besucht. Hier oben spielten Teile des Films von >>>Edgar Reitz an exponierter Stelle, hier lebte der Reitz-Held „Hermännchen“ mit seiner großen Liebe Clarissa, zur Zeit des Mauerfalls 1989.
Komplizierte Geschichte, übrigens.
Komplizierte Geschichte, übrigens.
(Hier der deutsche Heimat-Trilogie-Trailer mit englischen Untertiteln, das „Heimat“ oder „Günderodehaus“ betreffend: „Könntet ihr euch vorstellen, für mich zu arbeiten? Ich zahle zehn Mark die Stunde.“ Heimat-Trilogie: 52 Stunden, 30 Episoden)
Ungefähr zur gleichen Zeit lebte ich in einem Höhendorf bei Lorch, gegenüber von Niederheimbach und der Burg Sooneck. Ich weiß nicht, wie oft ich diese kleine Fähre von Lorch nach Niederheimbach genommen habe, Freunde von uns wohnten dort drüben, die Landfreaks mussten damals zusammenhalten. Ransel hieß das Höhendorf, und wenn „Heimat“ von Edgar Reitz gesendet wurde, waren alle Straßen wie leergefegt. Ja, Ransel, mein schönes Dorf. Damals gab es dort noch zwei Lebensmittelläden, einen Bäcker, einen Metzger, einen Milchbauern, einen Elektroladen und ein Textilhaus. Die Läden haben alle bis auf zwei zugemacht, es gibt nur noch das Textilhaus und den Elektroladen, der gleichzeitig ein Handwerksbetrieb ist. Das Alte Rathaus und die Alte Schule sind verwaist. Oh ja, der Niedergang der Dörfer wäre ein tragisches Heimat 5-Thema. Unten in Lorch stehen auch die Läden leer und in Niederheimbach oder in Oberwesel auf der anderen Rheinseite auch. Wer das nicht sieht, sieht den Landstrich nicht. Es fährt einem durch Mark und Bein. Zunächst hatte ich keinen Führerschein (mein erstes Auto, einen Opel, hatte ich mit 26, und fuhr ihn im Wald von Nastätten kaputt, aber das ist eine andere Geschichte, danach hatte ich nie wieder Kopfhörer mit Musik auf den Ohren). Also gurkte ich morgens um halb sechs mit den anderen grüngesichtigen Nasen im Bus nach Lorch hinunter, nahm die Bahn von Lorch nach Wiesbaden, und von dort schließlich eine studentische Mitfahrgelegenheit von Wiesbaden nach Frankfurt. Über den Zeitaufwand reden wir jetzt nicht; Geschichten von nervenzerfetzendem Rumgurken mit öffentlichen Verkehrsmitteln können die Leute vom Mittelrhein erzählen, da ließe sich eine bittersüße Anthologie draus machen. Das machte einen an sich fix und fertig; dafür hatte man es schön daheim. Der Blick von Ransel aus in alle Richtungen ist sensationell. Ob Hunsrück, ob Westerwald, ob Hochtaunus, rundherum kann man sich da oben von Horizont zu Horizont freigucken. „Nichts soll meine Schritte fesseln“, schrieb die gute >>>Karoline von Günderrode, und nichts fesselte meine Schritte. Ja – ich studierte Germanistik, ich hatte Zeit, ich hatte einen Hund und ich erlief mir diese ganze sagenumwobene Gegend. Die Loreley war nur zehn Kilometer entfernt, und mit dem Rad konnte man ins Wispertal und an den Rhein hinunterstechen. Die Rheinlandschaft des Oberen Mittelrheintals hat etwas Archaisches, Mythisches, Ursprüngliches. Insbesondere wenn man auch abseits des Rheins in die Seitentäler hineinwandert. Heute ist das Rheintal viel wilder als früher. Die Natur ist zurückgekehrt. Wege wachsen zu, alte Weinlagen und Wiesen versteppen (das kann man auch anders sehen, ich weiß). Und vor allem: Die Wasserqualität des Rheins ist wieder in Ordnung. Ich habe schon einmal ein Wochenende in einer Burg am Rhein verbracht – das ist einfacher, als man denkt. Mit der >>>Autorengruppe Mainz war ich in der Jugendherberge auf der Burg Stahleck in Bacharach, wir dichteten dort. Ich schlief nachts in einem Einzelzimmer hoch über dem Rhein, das war großartigst. Die Kirchenglocken von Bacharach kommunzierten mit denen von Kaub über den Fluss hinweg, und auch die kleinen Gemeinden stimmten ein, das ganze Rheintal läutete. Das war sehr ergreifend.
Und einer der Serienträume meiner Jugend besteht darin, dass ich allein auf einem Schiff von Wiesbaden aus den Rhein bis nach Koblenz hochtreibe. Spektakuläre Träume waren das.
Und die majestätische Burg Sooneck also, um jetzt langsam mal die Kurve zu kriegen, thront auf der anderen Seite des Rheins, an einer recht engen Stelle, unweit des Steinbruchs. Früher bin ich da oft herumgestreift, nebenan ist der Siebenburgenblick, da geht es ganz schön steil hoch. Das wäre was für >>>meine Wandergruppe, sonst durchkämmen wir die Alpen oder die Eifel. Projekte hier für ein halbes Jahr, neben dem Projekt Oberes Mittelrheintal selbst? Vielleicht könnte ich >>>Dostojewskis Erben, die Autorengruppe aus dem Literaturhaus Villa Clementine, einladen und wir machen eine Burglesung. Oder das >>>Wiesbadener Bloggerinnennetzwerk Ariadne kommt mal vorbei und macht eine Blogparade: Dieses Jahr hatten wir >>>#mein Sommer , auch wenn der meinige etwas nass ausfiel. Oder der >>>Leinpfadverlag aus Ingelheim klinkt sich ein, die haben ein sehr schönes, auch regionales, Buchprogramm und sind unterwandert von Dostowjeskis Erben. Doch, ich bin zuversichtlich. Mein Auto hat gerade neuen TÜV und federt tatendurstig auf einem Satz neuer Allradreifen. Außerdem treibt ihm die Aussicht auf einen grandiosen Parkplatz mit Aussicht Tränen der Begeisterung in die Augen. Wir kämen da hoch zur Sooneck! Im Winter, könnte ich mir vorstellen, wäre das eine Herausforderung, obwohl ich keine ängstliche Fahrerin bin, aber der #burgenblogger soll ja von Mai bis Oktober 2015 dort Gutes tun. Wenn sie es nicht schon hingeschrieben hätten, würde ich nur W-LAN begrüßen.Ein bisschen Sorgen machen mir noch diese Stechmücken, von denen man am Rhein böse Geschichten hört (und wegen derer ich immer froh war, im Höhendorf zu sein), aber da hat Burgverwalter Klaus Collerius sicherlich schon einen Plan.
Dieser Beitrag gehört zur >>>Blogparade “Ich werde Burgenblogger, weil …” von Babak Zand … Herzliche Grüße!
Update 13. Sept. 2014: Mehr Fotos, die ich hier nicht unterbekam, gibt es >>>hier.